Der Krupp LF 901

Bisweilen lässt einem das Schicksal gar keine Wahl. Man muss einfach dem vorgezeichneten Weg folgen. Unser Oldi-Freund Ulli Röse hatte im Westerwald einen LF 901 geborgen. Es war ein gestandener Motorwagen noch mit dem robusten 5-Zylinder Zweitakt-Motor, der die seinerzeit geforderten 200 PS kraftvoll auf die Straße zu bringen vermochte. Schon als Jugendlicher hatte ich bei Erich Jacks Gelegenheit gehabt, mich virtuos mit diesen Typen zu beschäftigen. Es waren durchaus feine Erinnerungen und so reifte der Plan, einen solchen Thermoswagen diesem Vorbild nachzubauen. Der passende Kofferaufbau war ja bereits gesichtet worden, quasi in greifbarer Nähe.

Im Herbst des Jahres 1985 wurde der Handel mit Ulli perfekt gemacht: Unser 100er Henschel sollte nun in den Besitz von Ulli übergehen, dafür würde der zukünftige Standort des Krupps wohl in Bilsen sein. Und so wurde dann ein Tieflader ausgeborgt, der Henschel verladen und nach Nordstemmen gebracht; dort befand sich die Oldtimerscheune, in der Ulli seine Schätze aufbewahrte. Die Umladeaktion verlief ohne Zwischenfälle, wenngleich der Zweitakter auch nicht aus eigener Kraft auf den Tieflader fahren konnte, denn die Kupplung spielte nicht mit. Das Problem war ja dank der mitgeführten Schleppstange schnell gelöst. Auch die Heimreise gelang mühelos, wenngleich der Fahrkomfort sehr zu wünschen übrig ließ. Mit der unbelasteten Zugmaschine zogen wir nun fast 14 Tonnen Last und die Zuggabel des Tiefladers zeigte recht schräg nach oben, da die Anhängerkupplung des V8ers -dank der unbelasteten Hinterfedern- sehr hoch stand. Das führt zu sehr unangenehmen Stoßbewegungen bei unebener Fahrbahn. Aber es ging ja gut aus. Der Anfang war gemacht; das Basisfahrzeug wurde nun zunächst in einer Halle in Seeth-Ekholt untergebracht, in der wir zeitweilig unser Domizil für die Altgedienten hatten.

Dieser Motorwagen war 1961von der Firma Ebener angeschafft worden und wurde mit einem Spezialkofferaufbau für den Transport von Sprengstoff genutzt. Im fortgeschrittenen Alter wurde dann die ehemals gelieferte Werkspritsche wieder montiert und diente fortan seinem Besitzer als Pritschenwagen im Nahverkehr. Schließlich landete er nach einem erfüllten Leben auf dem nahe gelegenen Schrottplatz von Günther Groß in Elkenroth. Aber das sollte längst noch nicht das Ende für diesen seltenen Wagen sein.

Nun galt es, den passenden Kofferaufbau zu beschaffen. Und der stand gar nicht weit entfernt in Bockhorn. Auf dem Parkplatz der dortigen Aral Tankstelle stand damals ein Holzhäuschen, welches als Imbißbude diente. Und direkt dahinter stand der ersehnte Kofferaufbau. Wie auf dem Vorbildfahrzeug handelte es sich um einen von Köhler Elmshorn gebauten Thermosaufbau, gefertigt in Segmentbauweise aus dem Baukasten der Firma Evimont. Es war kein Kunststück, den Besitzer zu ermitteln: Es war der Herr Popp, der Gründer einer großen Feinkostfabrik, der den Aufbau zur Lagerung von Wildfutter nutzte. Er zeigte sich unserem Ansinnen gegenüber sehr geneigt und so konnten wir bei Sünkler in Kiel einen Kran bestellen. Es erschien dann Addi Wilke mit einem Baukran auf Mercedes 2632. Sehr virtuos und mit viel Fingerspitzengefühl zauberte er den Koffer hinter der Holzbude hervor und wir konnten glücklich damit heimziehen.

Nun konnte der Neuaufbau beginnen. Zunächst wurde der Krupp aus seinem Lager in Seeth-Ekholt abgeholt. Dort hatte er neben dem Tiger gestanden, dem dort ein bescheidener Innenausbau zuteil geworden war. Dazu hatten wir Rudi und Hasi engagiert, Mitglieder der „bunten Hunde“, also Stockcar Fahrer, die sich als erfahrene Holzwürmer ausgaben. Nun, der Ausbau gelang leidlich gut, wurde allerdings begleitet durch den einen oder anderen Erfrischungstrunk. Und so gelang es den beiden, in den vier Wochen ihres emsigen Schaffens eine erkleckliche Anzahl von Mariacron Flaschen zu leeren, die allesamt den Boden des 901ers bedeckten: von Holz keine Spur mehr zu sehen! So wurde die Heimfahrt durch trauliches Geklimper und Geklöter begleitet.

Nun wurde zunächst die Kabine durchgeschweißt und das Fahrgestell gangbar gemacht. Ganz wichtig: Es musste ein Schilderkasten auf dem Führerhaus montiert werden. Dann war der Koffer dran, Unter der grünen Binderfarbe erschien nach und nach die alte Werbung der Firma Popp Feinkost. Spektakulär sah es im Inneren aus. Die Mäuse hatten sich in unendlicher Zahl in den Styroporisolierungen ihre Nester gebaut, schließlich war die Versorgung mit Nahrung – also Wildfutter - quasi vor der Haustür. Glücklicherweise hatten die Mäuse es jedoch vorgezogen, in ihrer alten Heimat zu bleiben und folgten uns nicht nach Bilsen.

1988 war es dann so weit. Im Frühsommer war das Projekt beendet, die Einstiege wurde noch mit gehämmertem Aluminium verkleidet, das Standortschild für den Güterfernverkehr angebracht– natürlich mit der Konzessionsnummer SH 2478 des Vorbildfahrzeuges KI-P 743- dann ging es schon auf die erste Präsentation auf dem Treffen in Castrop-Rauxel. Durch Vermittlung von Jürgen Danner konnten wir einen alten Vidal-Anhänger von Unilever erwerben. Nach kurzem Arbeitseinsatz, bei dem lediglich das Äußere farblich anzugleichen war, nahmen wir zum ersten Mal mit einem gestandenen Hängerzug an der Ausfahrt durch das Ith-Gebirge teil, welches Ulli Röse in Herbst des Jahres anzettelt. Im Verlaufe der folgenden Jahre wächst die Sammlung von Krupp Fahrzeugen auf 8 Stück. Es ist von jedem Hauber und von jedem Frontlenker ein Exemplar vorhanden. Da wäre noch viel Arbeit zu leisten, und so fällt die Entscheidung, den Bestand etwas einzukürzen. Dem fällt auch der 901er zum Opfer, denn es sollen fürderhin nur noch Schnautzenwagen im Bestand bleiben. So reichen wir also den Thermoswagen an unseren Freund Jörg Benthien weiter. Ehrlich gesagt: In seinen Hausfarben weiß/rot schaut er verdammt gut aus. Als Jörg auch noch einen Schmitz Kofferanhänger erwerben kann, der bei uns mit recht wenig Aufwand wieder anschaulich hergerichtet wird, sodann eine schicke Glücksklee-Reklame erhält, ist der typische Lastzug der frühen sechziger Jahre komplett. Leider muss der Krupp noch wieder den Besitzer wechseln, landet zunächst bei Fritz Schneidewind und nach dessen Ableben in der Sammlung der Familie Anhalt, wo er noch einmal überarbeitet und perfektioniert wird.

Impressionen: