Der V6 Haubenwagen

Ebenfalls im März anno 1986 stößt dann ein Krupp Cummins Haubenwagen mit kurzer Kabine zu uns. Da auch dieser Wagen letztlich zum Zwecke des Gelderwerbs in den Fuhrpark kommt, findet sich der erste Teil seiner Geschichte wiederum im Teil 3 des Kapitels „Toll – endlich mein eigener Herr“.

Nach über 3 Jahren aktiven Dienstes bei uns, verbrachte das ungeliebte Stück nun mit defektem Motor über ein Jahr in unserer alten Scheune und hatte Gelegenheit, sich eine dicke Staubschicht zuzulegen. Aber das Schicksal hielt noch große Pläne für ihn bereit. Es begann damit, dass uns der Hausmeister der Berufsschule in Essen anrief „Ob wir Interesse hätten, die kompletten Schulungsgegenstände zu übernehmen, die ihnen ehemals von Krupp zur Verfügung gestellt worden waren, um die angehenden Mechaniker zu unterweisen.“ Das Material war in die Jahre gekommen und sollte nun durch modernes Gerät aus dem Hause Daimler-Benz ersetzt werden. Natürlich hatten wir Interesse. Unter Mitwirkung von Helmut Imberg konnten wir einen ganzen Lastzug voll Material bergen. Neben vielen Motorenteilen gab es auch Schnittmodelle von Einspritzpumpen, Motoren, ja sogar komplette Motoren, nagelneu, jedoch ohne jegliche Dichtungen, da sie den Lehrlingen zum Auseinanderbauen und Zusammensetzen gedient hatten. Es gab Zweitakter und einen Cummins V6-Motor der letzten Generation mit dem von Krupp veränderten Ventiltrieb – Goldstaub sozusagen.

Der Plan, den Hauber wieder in Gang zu bringen, reifte nicht zuletzt, weil die Arbeit nach einer weiteren Zugmaschine rief, die wenigstens in Spitzenzeiten mithelfen konnte. 1991 ging es nun frisch ans Werk, der V6er wurde aus seiner finsteren Ecke hervorgezerrt und blinzelte ins herbstliche Sonnenlicht. Wie von Zauberhand war mit dem ergatterten Motor auch die Frage des Antriebes gelöst. Also frisch ans Werk, ein letztes Mal wurde nun der Cummins Sechzylinder auseinander genommen, gebrauchsfertig gemacht und wurde dem ansonsten fahrbereiten Auto implantiert. Aber eigentlich hatte ich keine Lust mehr, während meiner Touren über den Sitzen zu schlafen. Es wäre doch zu schön, eine verlängerte Kabine mit einer komfortablen Schlafgelegenheit zu haben. Der Radstand ließ eine Verlängerung des Hauses durchaus zu. Zwar hatten wir Pläne für den Umbau schon geschmiedet, aber immerhin war eine Kabinenverlängerung für uns damals Neuland. Da kam mir der Gedanke, einmal Heinrich Weidemann anzurufen. Er unterhielt damals noch immer zehn Krupps, sechs davon im aktiven Einsatz und nicht immer ging das ohne Unfall vonstatten. Die Frage nach einer Fernverkehrskabine mit einem Frontschaden war schnell geklärt: “Komm man her, das steht hier schon.“ Unverzüglich wurde wieder einmal Achim alarmiert und die Kabine landete in einem kühnen Handstreich in Bilsen. Der Auffahrunfall hatte genau die Teile am Führerhaus demoliert, auf die wir gut verzichten konnten. So wurde dann da angestammte Nahverkehrshaus mittels Kaiserschnitt getrennt und die große Hütte drangeschweißt. Die Radausschnitte wurden geschlossen und ein glatter Fußboden eingezogen. In dem Zuge wurde auch gleich die alte Stockhandbremse entfernt, die mitten im Raum stand. Es wurden an der Hinterachse Federspeicher montiert, die durch ein kleines Handbremsventil an der Lenksäule bedient wurden. Es entstand ein perfektes und sehr geräumiges Haus. Die Innenausstattung wurde in Dänemark vorgenommen. Die neuen Verkleidungen, die Sitze und die beiden Liegen wurden mit feinstem Wollstoff von den In-Truck-Jungs in Grautönen bezogen und ich baute alles ein. Aber es musste noch ein Himmel gefertigt werden. Spanndrähte hatte ich neu gebogen und der Chef Frank nahm Maß und nähte zusammen, was leider überhaupt nicht passen wollte. Also flog sein Entwurf in die Ecke und grollend rief er nun nach Bent, seinem Gehilfen. Der war ja ein gelernter Polsterer und im ersten Versuch passte sein Zuschnitt aus hellgrauem Velours, den wir dann gemeinsam einbauten. Mit dieser Arbeitsteilung war der gesamte Innenraum an einem Samstag erledigt.

Im Frühjahr 1992 war der Umbau abgeschlossen und sogleich konnte die Zugmaschine auf der Hannover Industriemesse auf dem Stand der Firma Krupp ausgestellt werden. Dazu hatte ich bei T&A aus Beckum einen splitterneuen V2A-Tankauflieger abgeholt, der zusammen mit dem historischen Zugfahrzeug für Krupp Stahlprodukte werden sollte. Der nächste Einsatz für den V6er war dann auf der ersten IAA Nutzfahrzeuge 1992. Aufgesattelt war diesmal ein Spitzer Siloauflieger. Mit seinen zwei Eutern war dies eher ein Billigprodukt, wie es in Frankreich populär war. Zu dem Zeitpunkt hatte der Wagen bereits die erste farbliche Variante erfahren: Die Radnaben und Felgen waren nun rot.

Dank der neuen Maschine lief das Auto jetzt absolut zuverlässig und ging ausgesprochen zackig zur Sache. Lediglich einmal hatten wir auf einer Ausfahrt, die Ulli Röse angezettelt hatte, ein Problem mit der elektrischen Kraftstoffförderpumpe. Das war 1994 mitten im schönen Weserbergland. Ansonsten liefen die Touren wie geschmiert. Und das waren eben nicht nur Oldtimerreisen, sondern in nicht unerheblichem Umfang eben Ferntouren mit den riesigen Schmitz Faltwandanhängern oder mit dem Tieflader. Die Schonfrist war vorbei.

Für unsere Restaurierungen hatten wir uns auf dem Hof in Bilsen eine provisorische Zeltunterkunft gebaut. Als seitlicher Schutz vor Wind und Regen diente uns ein Ackermann Kofferauflieger vom Hüttenberger Kraftverkehr noch mit der alten Länge von 11 Metern, wie sie zu Beginn der 60er Jahre üblich war. Den hatte ich schon 1984 von dem Ackermann Verkaufsbüro erstanden, welches im ehemaligen Vidal-Werk in Wilhelmsburg angesiedelt war. Der Sattelauflieger diente uns gleichzeitig als Werkstatt und Lager. Beschwerlich war allerdings, ständig über eine Leiter ins Innere klettern zu müssen. Also wurde irgendwann so um 1996 beschlossen, den Auflieger zu verschrotten und durch zwei Container zu ersetzen, die ebenerdig absetzbar waren. Ich fuhr also vorsichtig unter den Auflieger, um den Planbau nicht einstürzen zu lassen und wie ich so munter an den Stützbeinen kurble, fällt mir auf, dass das Gespann total harmonisch ist und perfekt zeittypisch noch dazu. Sowas kann man doch nicht wegschmeißen! Die rechte Seite ist zwar total verschmiert und verbeult, aber dafür ist links fast keine Beschädigung zu sehen. Also das muss noch mal näher untersucht werden, aber eines ist klar: Der bleibt! Also wird das gute Stück erstmal notdürftig Instand gesetzt. Bremsen müssen wieder funktionieren, Lichtanlage installieren und dann noch ein paar farbliche Verschönerungen an Heckschürze, Kotflügeln und Rädern. Dann muss unser Filmer Henry Glaw antreten und es entsteht ein kleines Video, welches deutlich macht, dass diese Kombination an Eleganz kaum zu schlagen ist. Nun wird gezeichnet und geplant, wie das Äußere nun zu gestalten wäre. Die Farben sind ja durch die Zugmaschine bereits vorgegeben und passen vorzüglich zu einem Kühlwagen. Aus historischen Vorbildern findet sich schnell eine schnieke Beschriftung. Nun sollen noch einige Figuren in den Entwurf mit einfließen und so erhält unser Schriftenmaler Werner Lohmann den Auftrag, einen Pinguin zu entwerfen, der zusätzlich die Seite ziert und genüsslich ein Eis verspeist. Für die Dekoration am Heck wird Idefix ausgewählt, der aus dem Laderaum gerade eine Wurstschlange geklaut hat. Schließlich sollen die Autofahrer, die hinter uns herfahren, auch etwas zum Schmunzeln haben.

So dekoriert gleitet der Krupp immer mehr in den Bereich des Hobbyfahrzeuges über. Aber dafür ist er vom Baujahr her eigentlich etwas zu neu. Ich mag ja mehr so die Lastwagen der 30er, 40er und 50er. So reift der Plan, den Zug zu verkaufen, weil Platz ja auch immer ein Problem ist. Immerhin tingeln wir zu der Zeit von einer Unterstellmöglichkeit in die nächste. Und als wir unser damaliges Domizil - ein Gewächshaus - verlassen müssen, ist sein Schicksal besiegelt. Lothar Göring wird fürderhin am Volant dieses selten schönen Gefährtes sitzen. Dennoch sitzt die Träne im Knopfloch ziemlich locker, als er mit seiner Frau Ottilie das Gespann im Sommer 2000 abholt. War das wirklich schlau? So manche Mark hatten wir mit ihm verdient, viele Reisen absolviert, so manche Bergung durchgezogen, hatten ihn vor der Pfändung gerettet und zeitweilig auf einen Oldtimerkollegen zugelassen. Darf man einen so treuen Kameraden , mit dem man viel Leid aber späterhin auch viel Freud geteilt hat einfach verscherbeln? Heute weiß ich: Es war einFrevel.

Impressionen: