90M4Tg

Die Auslieferung von neuen Anhängern und Aufliegern führte uns in den 80er Jahren durch ganz Europa. Wann immer möglich versuchte ich, bei den Reisen nach oder durch Belgien nicht die Autobahnen, sondern kleine Straßen zu benutzen. Hier im Lande waren schon eine Menge interessanter alter Laster mit belgischer Vergangenheit aufgetaucht. Da hieß es, die Augen aufzuhalten, ob mir nicht irgendwann mein Traumwagen begegnen würde: Ein Krupp Mustang. Und eines Tages war es so weit, wenngleich es sich aber nicht um das Fahrzeug meiner Träume handeln sollte. Auf der Rückfahrt aus Frankreich hatte ich eine Passage durch die Ardennen gewählt. Plötzlich tauchte linker Hand ein Bauhof auf, voll übersät mit abgestellten, schweren Henschel Kippern. Aber was ist das? In der hintersten Reihe sind auch runde Dächer auszumachen – sieht nach Krupp aus. Und richtig: Stehen da doch drei nicht mehr ganz frische Zweiachs-Kipper. Die Nase und die Ganzstahl-Kabine weisen auf ein Baujahr zwischen 1958 und 1963 hin. Das schwere Fahrgestell beweist: Es ist ein Tiger, der Motor jedoch ist ein Vierzylinder, also ein Mustang. Dieses Exportmodell hieß dann eben 90 (9000 kg Nutzlast), M für Mustang, die 4 steht für den 4-Zylinder Motor und Tg ist das Kürzel für „Tiger“ und bezeichnet das schwere Chassis, welches normalerweise einen 5-Zylinder-Motor trägt, für den Export jedoch mit dem kleineren Antriebsaggregat geliefert wird. Die Fahrzeuge gehören der Firma „La Routière“ und nach Rücksprache mit dem Chef wäre ein Verkauf der Krupps für 350 DM pro Stück möglich, jedoch ohne Bereifung.

Irgendwann im Oktober 87 gelingt es, wieder einen Tieflader auszuleihen und mit dem V8-Zugwagen von Martin Küppers - wir brauchen ja wieder zwei Kojen – fahren wir also gen Süden in das Grenzgebiet zwischen Frankreich und Belgien zu dem kleinen Örtschen Gedinne. Auf der Ladefläche liegen 6 Räder für die Ummontage. Wie gut, dass der Motorwagen über einen Ladekran verfügt; das erleichtert die Be- und Entladung erheblich. Aber die eigentliche Prüfung sollte erst noch kommen. Bei unserer Ankunft am Ziel regnete es. Nein, ich muss mich verbessern: Es schüttete. Der Himmel war so finstergrau, dass eine Veränderung kaum zu erwarten war. Der unbefestigte Boden des Lagerplatzes war total aufgeweicht und wir mussten wirklich hart kämpfen, um den ersten Wagen aus dem Morast heraus zu bekommen. Das wir mit dem V8er gereist waren, erwies sich nun als Glück. Ohne ihn und ohne den Kran wären wir aufgeschmissen gewesen. Hilfe vom „Patron“ gab es nicht. Als wir den Kipper endlich frei hatten, waren wir komplett durchnässt, als wären wir in voller Montur ins Schwimmbecken gesprungen. So ließ sich den der Patron erweichen, dass wir den Krupp in die Werkstatt schieben konnten. Naja, eigentlich war es nur ein enges Loch in einer Behelfsbaracke mit einem durch unbeschwerten Umgang mit den diversen Ölen verdichtetem Sandboden. Aber immerhin hatten wir einen leidlich trockenen Arbeitsplatz. Also konnten wir die montierten Räder abbauen – warum er den Schrott behalten wollte, wird mir ewig ein Rätsel bleiben – und unsere mitgebrachte Bereifung dagegen austauschen. Es war kalt, die Klamotten total nass und lehmverschmiert, keine Möglichkeit sich zu reinigen, kurzum: total Scheiße. So waren wir froh, dass uns der Regen beim Verladen nicht verließ. Notdürftig trocken gerubbelt stiegen wir in das Führerhaus ein und waren froh, diesem unwirtlichen Ort den Rücken zu kehren und strebten dem nächsten Wirtshaus zu. Auf dem Heimweg kehrten wir noch bei einem guten Bekannten ein, der in Hoegaarden eine kleine private Brauerei betrieb und konnten ihm eine Kiste Trapistenbier „Vader Abt“ als Wegzehrung abschwatzen. Die Verkostung fand bei den Hecker’s in Warstein statt: Heinz-Bruno’s erste Begegnung mit einem belgischen Starkbier besorgte ihm einen seligen Schlummer.

Was soll ich sagen: Die Bergung des zweiten Wagens verlief sehr ähnlich, weshalb wir den dritten dann nicht mehr geholt haben. Auch diese Autos sind auf Umwegen in Oberhausen gelandet.

Impressionen: