Toll, endlich mein eigener Herr:

Teil 1 – Die Frachtfahrerei

Mit 30 muss ein Mann wissen, wo es fürderhin lang gehen soll. Der Sinn stand mir schon seit geraumer Zeit nach der Selbstständigkeit. Und das Schicksal gab mir dann auch einen ordentlichen Tritt, damit ich die Frist ja nicht versäumte. Doch zunächst die Vorgeschichte. Viele Monate lang hatte ich auf einen großen Auftrag mit Iraqi Cement gehandelt. Es ging um die Beschaffung von 100 Kipperzügen für ein Gesamtgewicht von jeweils 100 Tonnen, die für den Transport der Rohstoffe aus den Limestone Brüchen nach Baghdad eingesetzt werden sollten. Schließlich gelang es mir als „Youngster“, mich gegen die altehrwürdigen Orienthändler durchzusetzen. Ich zog den Fisch im Wert von 25 Millionen Mark an Land. Das war der größte Abschluss in der Geschichte der Firma Köhler, einem mittelständischen Fahrzeugbauer, für den ich mich damals in der Weltgeschichte herumtrieb. Meine Provision daraus wäre 1% gewesen, hätte mein Chef nicht eine entsetzlich große Angst vor diesem Auftrag gehabt, der natürlich erhebliche Vorfinanzierungen erforderlich machte. So ging ich schließlich nach Abzug von Vorschüssen mit 30 Mille nach Hause und war rechtschaffen sauer. So ging das nicht weiter.

Unverzüglich schob ich nun die Formalitäten zur Erlangung eines Existenzgründungskredites an. Ich hatte mit einem Hersteller für Futtermittelrohstoffe gesprochen, der mich mit einem Silozug im Großraum Hamburg einsetzen wollte. Die Zugmaschine hatte ich schon im Visier: Es war ein Henschel F 161, der bei dem Autohändler Paul Wendt zum Verkauf stand. Ich hatte schon Probe gesessen hinter dem großen Lenkrad. Das Interieur war allerdings sehr nüchtern, ja sogar kühl. Aber er stand gut da in seinem blau-roten Kleid. Er war aus dem Bestand von Leo König und somit schon in „meinen Farben“ lackiert. Aber es kam anders. Die Bank brauchte ein paar Tage zu lang und so kaufte Horst Anhalt den Wagen. Erneut begann die Suche nach einer geeigneten Zugmaschine. Mercedes? Niemals! MAN: Nicht um’s Verrecken. Die Skandinavier? Zu teuer. Und dann tauchte er auf: Ein (MAN)-Büssing 16.240 mit Fernverkehrshaus aus ehemaligem Bestand von Joh. von Pein – für wenig Geld zu haben. Ich schlug zu. Nun fehlte noch ein Siloauflieger für 20 Tonnen Nutzlast. Der Büssing hatte keinen Nebenantrieb und glücklicherweise (?) fand ich in der Ruhr einen Siloauflieger mit aufgebautem Kompressor angetrieben von einem VW-Motor. Mit 40 cbm Volumen war er zwar doppelt so groß wie nötig, aber wer weiß schon, was mal kommt. Leider war der Kessel aus Stahl. Das war wohl eher nicht so glücklich gewählt.

Im Februar des Jahres 79 ging es dann los. Ich hatte Harald H. als Chauffeur eingestellt. Schließlich hatte ich noch meinen Job bei Köhler, dem ich meine Tage widmen musste. Aber die Kutscherei lief leider nicht so, wie geplant. Hatten wir 5 Touren täglich geplant, so kamen wir jetzt meist nur auf zwei, bisweilen drei pro Tag. Niemand hatte damit gerechnet, dass unser Zug durch andere Silozüge am Entladen bzw. Herausfahren aus der Entladegosse gehindert werden könnte, weil diese sich in der Befüllung befanden und nicht einfach die Ausfahrt frei machen konnten. Die Rechnung ging nicht auf. Wenn ich also nicht unterwegs im Orient war, fuhr ich nach meiner Arbeit bei Köhler nachts noch eine Trailertour nach Travemünde. Harald sattelte den Siloauflieger ab und ich fuhr mit der Maschine zum Umladeplatz nach Rothenburgsort. Dort nahm ich dann einen beladenen Planenauflieger auf. Mein Pech war nur, dass die Fernkutscher, die die Trailer dort abstellten, bereits Zugmaschinen mit Luftfederung hatten und die Auflieger mit ca. 1,20 m abstellten. Mein Büssing war noch nicht mal mit Parabelfedern ausgerüstet, sondern hatte an der Hinterachse noch fette Scheuerblattfedern und stand leer bei locker 1,40 m Aufsattelhöhe. Zudem war das Heck des Chassis gerade durchgehend ausgeführt und nicht angeschrägt. Das bedeutet kurbeln und die Stützbeine hochdrehen, bis die Höhe angepasst ist. Ca. 120 Umdrehungen in der kleinen Übersetzung, denn der Trailer ist ja voll beladen. Da steht das Wasser nicht nur vorm Kopp, ehe die Fahrt losgehen kann. In Travemünde dann am Kai noch einmal Fitnesstraining: Hochkurbeln zum Absatteln, bis die Federn frei sind, dann zum nächsten Trailer, der für Hamburg bestimmt ist. Wieder beginnt das grausame Spiel. Wieder steht der Trailer zu tief. Wieder darf gekurbelt werden – 120 Schlag. Der Schweiß kocht in der A…ritze. Egal ob Holz, Papier oder Stahl: Es sind immer 25 Tonnen. Zurück nach Hamburg – Absatteln – und noch einmal …. mitgezählt? Kaum, dass man es noch bis nach Hause schafft. Kaputt und durchgeschwitzt fällt man schließlich früh morgens ins Bett. Um sieben ist Wecken. Die Arbeit ruft.

Dann aber begann völlig unverhofft das große Geldverdienen. Im Sommer des Jahres 1979 traten die Zementwerke in Dänemark in Streik. Nun wurde alles aufgeboten, was an Silofahrzeugen zur Verfügung stand, um die Belieferung der dänischen Betonwerke mit Cement aus Schleswig-Holstein sicherzustellen. Im Auftrage der Montantransport waren auch wir mit dabei. Harald fuhr eine Tagestour vom Zementwerk Lägerdorf (bei Itzehoe) nach Seeland. Er konnte die Fähre von Travemünde nach Gedser benutzen, denn Travemünde konnten wir im Nahverkehr erreichen. Nachts ging ich auf dieselbe Reise. Aus Zeitgründen musste ich aber über Puttgarden fahren, was ohne Fernverkehrsgenehmigung nicht legal zu erreichen war. Also ging die Route über Schleichwege, um den Häschern nicht in die Fänge zu geraten. Dabei flog mir zweimal in einer engen Abbiegung ein Reifen an der Vorderachse des Aufliegers weg, denn wir hatten Gewicht mit und das drückte bei enger Kurvenfahrt fast den Reifen von der Felge. Unser Zug brachte satte 18 Tonnen Eigengewicht auf die Waage. Somit waren noch 20 Tonnen Zuladung möglich. Gefahren werden sollten aber immer Partien von 25 Tonnen. Neben mir stand mal ein Silozug von Rudi Siems in der Verladung, der brachte 13,2 Tonnen Leergewicht auf die Waage - da war ich nur noch baff. (Heute schafft man mit abgespeckten Zügen ein Leergewicht von ca. 10,5 t). Geladen wurde auch damals schon auf der Waage und ich höre heute noch die Stimme des Lademeisters aus dem Lautsprecher: „Reiß den Schieber zu! Du bist schon viel zu schwer!“ Mit 42 bis 43 Tonnen Gesamtgewicht zogen wir dann vom Hof. Richtig spannend wurde es dann auf Seeland. Zwar gab es damals auf der Bundesstrasse nach Kopenhagen nur einige kleine Hügel, eine Autobahn gab es noch nicht, aber die verlangten dem Büssing wirklich alles ab. 240 magere Pferde und 6 Gänge waren auch damals nicht mehr die perfekte Ausstattung für einen gestandenen Fernverkehrswagen. Wir waren immer vorn – warum wohl?

Leider ging diese schöne und einträgliche Arbeit schon nach vier Wochen zu Ende. Wie sollte es nun weitergehen? Die Futtermittel waren weg. Zement war mit diesem Zug keine Alternative. Sowieso sollte es ja gern Fernverkehr sein. Das ist aber ohne die entsprechende gesetzliche Genehmigung nicht ganz so einfach, denn es bedeutet, dass nur im Umkreis von 50 km Luftlinie vom Standort gefahren werden darf. An eine Neuzuteilung einer Genehmigung für den Güterfernverkehr war nicht zu denken, da die Stückzahl limitiert war. Gut, man konnte eine Konzession kaufen. Die wurden in Verbindung mit einem abgewirtschafteten LKW bei knapp 200 000 DM gehandelt – auch keine Alternative. Es bleibt also nur ein Standort (im Zonenrandgebiet auch ein angenommener Standort), von dem aus eine Grenze erreicht werden kann. In unserem Fall war das entweder Travemünde oder Lauenburg. Beide Orte lagen im erlaubten Umkreis von 50 km Luftlinie von unserem später angenommenen Standort Hamburg. Zunächst hatten wir Bad Bramstedt gewählt. Was nach Verlassen des deutschen Hoheitsgebietes passiert, geht die heimischen Behörden nichts an. So verdingte ich mich denn auf der Hungerleiderroute nach Skandinavien, um das Schicksal mit vielen anderen Betrogenen zu teilen. Während im genehmigten Fernverkehr nach festen Tarifen abgerechnet wurde, die den Fuhrunternehmern eine sorglose Existenz sicherten, wurde auf diesen „Hungerleiderrouten“ im grenzüberschreitenden Güternahverkehr die Fracht frei verhandelt, will sagen: Man war der Willkür der Frachtenhaie total ausgeliefert. Entsprechend hoch waren die Pleiten. Aber das wusste ich damals noch nicht recht.

Also haute ich zunächst mal bei Köhler „in Sack“. Meine Laune war auch nach den derben Provisionsverhandlungen nicht gerade mehr als positiv gegenüber meinem Arbeitgeber zu bezeichnen. Dann mietete ich mir einen XTRA-Planenauflieger und verdingte mich bei einem Hamburger Frachtvermittler. Da ich damals noch der Meinung war, dass man mehr Geld verdient, wenn man mehr arbeitet, fuhr ich wie der Teufel zweimal wöchentlich die langen Stiche nach Stockholm oder Oslo. Um das Pensum zu schaffen, musste über Land gefahren werden. Mit den direkten Fähren nach Schweden verlor man zu viel Zeit. So ging es via Travemünde-Gedser in den Norden. Und dieses Nadelöhr hatte es in sich.

Der Büssing gab sein Bestes. Aber es war eben nicht genug. Warum kommen die dicken V8-Motoren wohl aus Schweden? Weil das Land eben nicht eben ist, sondern es geht ständig bergauf und bergab, wenngleich auch nicht gerade heftig steil, aber doch stetig. Da gelingt es kaum, den Verlust aus der Steigung bei der anschließenden Talfahrt wieder wett zu machen. Und dann dieser XTRA-Auflieger – auch als Neufahrzeuge schon so ein Schrott! Zwar waren die Schmitz-Fahrgestelle ausgesprochen stabil, aber die Stahlbordwände waren eine Zumutung: Ewig krumm von der Beladung und nur mit der Brechstange zu öffnen und zu schließen. Zudem kämpfte man noch mit den altbackenen deutschen Plangestellen, wenn man zur Beladung bisweilen abplanen musste. Vollkommen an der Praxis vorbei konstruiert – es musste wohl billig sein. Da musste etwas Praktisches her. Also besorgte ich mir in Dänemark einen DAPA-Auflieger mit dem pfiffigen Kinnegrip Rungen- und Plangestell, welches die Arbeit um ein Vielfaches erleichterte. Und es gab noch einen Vorteil, der bares Geld sparte: Die dänische Zulassung gab die Möglichkeit, den Anschein zu erwecken, dass man das Fahrzeug im Trailerverkehr truckte, der Auflieger also einem Betreiber gehörte, der ihn im Fährverkehr einsetzte und bei dem der Trucker nur die Zugleistung zu erbringen hat. In dem Falle war nämlich der Auflieger steuerfrei, das Zugfahrzeug wurde nur einfach versteuert. Bei einem deutsch registrierten, eigenen Sattel musste die Zugmaschine mit dem doppelten Steuersatz abgerechnet werden. Das machte satte 4000 Mark Differenz im Jahr aus. So machte die Arbeit Spaß, zumal meine damalige Freundin auch gut mit Nadel und Faden umgehen konnte: Sie hatte mir das Führerhaus des Büssing mit der Rolle in orange farblich an den Mercedes angepasst und das Interieur komplett in dunkelbraunem Samt ausgeschlagen, die Matratzen bezogen und Gardinen genäht. Zudem hatte ich mir noch einen kleinen Schrank mit Schubladen gebastelt und auf dem Motortunnel befestigt, um all die Dinge zu verstauen, die sonst lose in der „Wohnstube“ umherlagen. Mann, war das edel. Aber es half alles nichts, der Büssing war einfach eine Krücke. An jedem Wochenende lag ich mit meinem ehemaligen Köhler-Kollegen Uwe unter dem Auto, um irgendwelche Macken zu reparieren.

Nun lief es ja gut, na zumindest war Arbeit genug da. Und da denkt man denn, dass es doch sinnvoll wäre, ein weiteres Fahrzeug in Dienst zu stellen. Aber der Siloauflieger sollte ja gern mit weg, es wäre doch schön, ihn in Zahlung zu geben, denn freiwillig wollte ihn ja niemand, auch die Händler nicht. Das stählerne Ungetüm war einfach unverkäuflich Aber mit einem wurde ich handelseinig: Gassmann. Er bot mir an, den Silo für 8000 Mark in Zahlung zu nehmen, wenn ich dafür einen Mercedes 1926 von ihm kaufen würde. Dass er die 8000 Mark auf den Kaufpreis für die Zugmaschine mit oben drauf schlug, hatte ich damals nicht überrissen, so froh war ich, den Silosattel loszuwerden. Dafür kam nun im August 79 ein Mercedes ins Haus. Was für ein Kniefall! Ich beschaffte wieder einen dänischen Auflieger und stellte Peter W. ein. Seine Frau hatte eine Kneipe auf dem Kiez und ebenso laut war Peter. Er kannte alles, wusste alles – eigentlich wusste er aber nur alles besser. Das Leid, was er in diesem einen Winter seiner Tätigkeit bei uns über uns brachte, ist kaum zu übertreffen. Ich weiß nicht mehr zu sagen, wie viele Zwillingsreifen er in Schweden verloren hatte, weil ewig die Radbolzen abscherten. Wie oft hatte ich ihn gebeten, die Muttern nachzuziehen, wenn er von der Fähre fuhr, um dem abrupten Temperaturwechsel entgegenzuarbeiten.. Aber Peter saß lieber oben mit den Kollegen am Chauffeurstisch, um Lügengeschichten zu erzählen. Das ging so lange, bis ich einmal zwei Felgen nachbringen musste, weil in Schweden keine passenden für einen Mercedes aufzutreiben waren. An einer Tankstelle in der unmittelbaren Nähe unserer Unfallstelle holte ich noch Teile und erzählte dem Tankwart von den abgescherten Radbolzen. Er zeigte mir dann, wie man sich dagegen in Schweden zur Wehr setzt: Die montieren sehr lange Radmuttern, die den kompletten Bolzen abdecken und nach außen geschlossen sind. Damit ist sichergestellt, dass Bolzen und Mutter immer die gleiche Temperatur haben und sich somit nicht selbstständig bei Temperaturwechsel lösen. Gewusst wie. Nach Montage dieser Radmuttern hatten auch wir nie wieder Probleme mit losen Rädern. Der Mercedes war ein Vielfraß, der sich gut und gerne im Schnitt 50 Liter Diesel einverleibte. Das belastete den mageren Geldbeutel erheblich und bescherte ihm nicht sehr viel Liebe. Zudem war es unbedingt erforderlich, Peter mit seinen kostspieligen Eskapaden wieder loszuwerden. So hatte ich mich mit einem Fuhrmann aus der Ruhr zu einem Tausch verabredet. Mercedes gegen einen Volvo F 89. Bei der Beschau des Wagens stellte sich allerdings heraus, dass der Volvo doch ziemlich abgeritten war. Es wurde also nichts mit dem Tausch, aber immerhin kaufte er mir doch den Mercedes ab, wenngleich auch mit erheblichem Verlust. Ich war froh, die Kiste endlich los zu sein. Das war im April 80.

An einem Sonntagmorgen – ich war gerade in Travemünde auf den Rattendampfer aufgefahren und sah von der Reling aus der Verladung zu - wurde ich gewahr, wie ein weißer Scania mit einem Bootstrailer, beladen mit einer Motoryacht, gerade auf die Fähre auffahren wollte, als zwei Polizisten den Fahrer aus der Kabine holten. Es folgte noch die Reisetasche – offensichtlich war hier wohl für den guten Mann die Fahrt zu Ende. Richtig: drapiert mit der silbernen Acht entfernte sich die kleine Gruppe. Der Wagen wurde an die Seite gefahren. Die Farbgebung der Zugmaschine ließ darauf schließen, dass sie wohl ehemals der Transthermos gehört haben musste. Also rief ich nach meiner Rückkehr eben dort an und erkundigte mich nach dem Auto. Meine Vermutung war richtig, die Transthermos hatte den LKW verkauft, jedoch im Gegenzug einen Schüttelscheck erhalten. Die Maschine wurde nun zur Fahndung ausgeschrieben und wirklich im letzten Augenblick konnte der Betrüger dingfest gemacht werden. Ob ich denn die Zugmaschine kaufen könne? Wenn ich daran Interesse hätte, würde man sich melden, sobald die Transthermos wieder rechtmäßiger Eigentümer wäre. Und so kam es, dass ich nach vier Wochen, nämlich im Dezember 79, nach Bremen fuhr, um den Scania abzuholen. Es war ein LB 110 Super.

Nun wollte ich ja gern einen Chauffeur für den Büssing einstellen. Es hatte sich ein sympathischer Bursche vorgestellt und so nahm ich Johnny H. mit auf eine Fahrt nach Stockholm. Kurz vor Jönköping begann ein kleines Stück Autobahn und ich überließ Johnny das Ruder. Er kam wunderbar klar und nachdem wir an der „Goldenen Auster“ noch einen kurzen Stopp gemacht hatten, legte ich mich auf die Koje und duselte auch kurz darauf ein. Das gleichförmige Brummen des Diesels ließ auf nichts Böses schließen, bis…..“Klaus, passen wir da unter durch?“ Rrrrrums – schon zu spät. Die einzige Brücke auf den ganzen 700 km in Schweden – Johnny hatte sie erwischt. Eine der wahrscheinlich höchstens zwei Unterführungen in ganz Schweden, die unter vier Meter hoch sind. Sie steht in Norrköping und hat 3,80 m. Man konnte sie gar nicht übersehen. Bei Annäherung mit einem höheren Fahrzeug begannen so entsetzlich viele gelbe und rote Lichter zu blinken, ein riesiger beleuchteter Pfeil wies rechts raus, man überquerte oben die kreuzende Straße und dann ging es auf der anderen Seite wieder auf die Europastraße zurück. Das hatte Johnny nicht gerafft. Wir saßen mit der Stirnwand circa 20 Zentimeter unter der Brücke. „Oh Gott, Klaus, was sollen wir denn jetzt bloß machen?“ „Tja, mien Jung, maak man erst mal den Warnblinker an.“ Glücklicherweise war es Nacht und nur wenig Verkehr unterwegs. So, nun aber flink raus, die Sattelkupplung aufgezogen, Stützbeine runter, Zugmaschine unter raus. Dann Stützbeine wieder etwas runterkurbeln, bis der Auflieger vorn auf der Zugmaschine wieder aufliegt. Das bringt die gewünschten Zentimeter, um die Feindberührung unter der Brücke zu beenden. Jetzt mit der Zugmaschine soweit unterfahren, dass der Königszapfen des Aufliegers an der Hecktraverse anliegt, dann Stützbeine noch weiter hoch, bis sie frei sind. Und dann schieben wir den Auflieger rückwärts wieder unter der Brücke heraus. Nun wieder hochkurbeln, aufsatteln, Beine hoch und Abfahrt – aber rückwärts - die 300 Meter „hopp trüch“ bis zur Umfahrung. Na, so schlimm war das ja glücklicherweise nicht. Zu Hause müssen wir dann wohl den vorderen Spriegel richten und die Plane flicken.

Mit Johnny wurde es leider nichts, der Job war ihm zu stressig und so ging ich mit dem Büssing wieder nach Stockholm, denn der Scania ließ noch auf sich warten. Auf der Rückreise dann, geladen mit 25 t Papier, passierte es dann. In voller Fahrt blockierte die Hinterachse. Mein Glück war eventuell, dass die Strasse schneeglatt war, so knickte der Zug nicht ein, dennoch rutschte er über die Bankette mit einer mächtigen Schneewolke neben die Fahrbahn in eine kleine Waldung. Spiegel kaputt, sonst alles heil geblieben. Dennoch zitterten mir heftig die Knie. Was war los? Es war äußerlich nichts zu erkennen. Ich war ratlos, also rief ich Uwe an, der sich mit der noch nicht angemeldeten Scania Zugmaschine auf den Weg nach Schweden machte. Auch seine Inspektion am nächsten Tag brachte keine neuen Erkenntnisse. Also demontierten wir mal den Deckel vom Differential der Hinterachse. Die Beschau zeigte, dass wirklich alles in Ordnung war, keine Zähne ausgebrochen, keine Späne, eben nichts. Also Deckel wieder vor, Öl aufgefüllt und erst mal zurück auf die Straße. Dann Umsatteln, der Scania fuhr mit dem Auflieger zur Fähre und ich folgte vorsichtig mit der Solozugmaschine immer darauf vorbereitet, dass die Achse erneut blockieren könnte. Aber es geschah nichts, der Büssing lief einwandfrei. Aber nach diesem Mordversuch wollte ich ihn nicht mehr haben. Allzu viel Ungemach hatte er im Verlaufe der kurzen aktiven Zeit bei uns mit sich gebracht. So fuhr ich mit ihm direkt zu meinem damaligen Stammschrotti Ewald Lemke in Billbrook. Bei der obligatorischen Holsten-Knolle wurde die Eigentumsübertragung besiegelt: 4000 Mark gab es noch, weil die Reifen neuwertig waren. Lange hat der Büssing jedoch nicht überlebt. Er ging in den Besitz der Firma Caesar Eckelmann über, die im Hamburger Hafen Umfuhren machte. Nur knapp vier Wochen dauerte der Spaß, dann legte ihn der Fahrer in einer Kurve auf die Seite und der Motor war platt. Die Reifen haben wohl noch als einziges überlebt.

Nun also nahm der Scania seinen Platz ein: Welch ein herrliches Reisen, endlich genug Pferde unterm Motortunnel, endlich genügend Gänge, um Zeit zu gewinnen. Naja, zwar ging es fast immer mit 100 bis 110 km/h zur Sache, aber das langte man auch nur für eine halbe Stunde mehr Pause: Es war ein ständiger Kampf um Minuten, ja Sekunden. Immer sitzt die Fähre im Nacken. Morgens um zehn muss die Buchung schon gemacht werden, um Platz zu bekommen. Sonst ist das Schiff voll. Dabei ist der Verlauf des Tages noch völlig ungewiss. Wie werde ich leer? Wer weiß, wo man Rückladung bekommt? 200 km nördlich für Papier aus Grycksbo oder Gävle, Stahl aus Fagersta oder Sandviken oder gar 300 km für Hiab Kräne aus Hudiksvall. Das sind 1000 km Landstrasse bis zurück nach Helsingborg und noch einmal 190 km Landstrasse bis Gedser. Die letzten 100 km von Travemünde nach Hamburg sind dann kaum noch der Rede wert.
Die Woche sieht dann so aus:

Sonntag:
7 Uhr Abfahrt vom Hof
10-13 Uhr Fähre Travemünde-Gedser
14 Uhr Abfahrt nach Entladung und Zollabfertigung DK
17.30-18 Uhr Fähre Helsingör-Helsingborg mit Zollabfertigung S


Montag:
02.30 – 4 Uhr Schlafpause in Norrköping
06.00 Uhr Ankunft Stockholm, Verzollung, Stückgut entladen
Anschließend Auslieferung von 2-3 Großpartien, Anfahrt zum Laden
17-19 Uhr Rückfahrt im Stechschritt


Dienstag:
6 – 10 Uhr Fähre Gedser – Travemünde
10 – 12 Uhr Zollabfertigung, Ankunft Hamburg
12 – 21 Uhr Entladen und neu laden in Hamburg und Umgebung


Mittwoch:
02 – 05 Uhr Fähre Travemünde – Gedser
06 Uhr Abfahrt nach Zollabfertigung DK
9 – 10 Uhr Fähre Helsingör-Helsingborg, Zollabfertigung S


Donnerstag:
6 Uhr Ankunft in Stockholm mit Schlafpause, Verzollung
Anschließend Auslieferung der Teilpartien
Bis ca. 17 Uhr Beladung, dann Rückreise im Stechschritt


Freitag:
6 – 10 Uhr Fähre Gedser-Travemünde
12 – 18 Uhr Ankunft in Hamburg nach Verzollung, Entladen und Laden
Anschließend Heimfahrt


Samstag:
7 – 13 Uhr weiter beladen, dann Heimfahrt
Anschließend Wagenpflege und nur noch schlafen


Besonders nett war das Beladen im Hafen. Es waren immer 2-3 Partien Transitgut mit je 4-6 t, die man sich selbst auf den Wagen laden durfte. Besonders beliebt: Eurokai. Immer schwere Kisten mit Werkzeugen, die man per Hand von der Hafenpalette abpacken durfte – allein wohl gemerkt! Palettierte Ware gab es nicht, höchstens mal auf dem Speditionslager. Besonders beliebt sind immer wieder Haselnüsse für die Schokoladenfabriken und Bäckereien. Abgepackt zumeist in 80 kg Säcken ist es eine Freude, sie mit einem Schauermann zusammen die Stirnwand hochzustapeln. Auch immer wieder nett: Kaffee laden in der Speicherstadt. Erstmal abplanen, denn die Hieve kommt von oben mit der Winsch aus der Schuppenluke und dann immer kräftig zugepackt: Sack für Sack mit 50 oder 60 kg fünf oder sechs Lagen übereinander – allerdings mit einem Quartiersmann als Helfer – immerhin. Meist waren es immer Partien zu 5 Tonnen. Ja, es wurde einem nichts geschenkt. Gleich der erste Winter zeigte sich auch von seiner besten Seite. Im Scania war es mollig warm dank der guten Heizung und der doppelten Türdichtungen. Draußen aber gab es Schnee satt. In Schweden ist es kein Problem, trotzdem mit Vollgas über die schneebedeckten und kaum befahrenen Straßen zu donnern. Aber dann kommst du schon hundemüde nach Dänemark. Seeland lässt sich noch gut meistern, wenngleich auch dort niemand auf die Idee kommt, nachts die Straßen zu räumen. Dann kommt die „Spiegelbrücke“ bei Vordingborg, wo du schon betest, dass dir niemand entgegenkommen möge, weil die Augenlieder schon fast die dazwischen geklemmten Streichhölzer zerbrechen. Die Brücke ist mit An- und Abfahrt gut 3 Kilometer lang und die 6 Meter breite Fahrbahn ist links und rechts durch hohe Stahlkanten gesäumt. Da ist bei Gegenverkehr höchste Konzentration gefragt, sonst ist mindestens der Spiegel weg. Dann hat man die Insel Falster erreicht. Sie liegt so schön frei und der Westwind sorgt für tolle Schneeverwehungen. Der Fährtermin drückt, 110 km/h liegt an, die Augen wollen nicht mehr und dann kommt sie, die Wehe, die du zu spät erkannt hast. Nur leicht verreißt du das Lenkrad – der Zug fängt an zu tanzen… Nicht nur einmal habe ich hinter dem Steuer gestanden und mit den Fingerspitzen und minimalsten Lenkbewegungen den Auflieger wieder gefangen. Obwohl: man kann eigentlich gar nicht hinterm Lenkrad stehen. Hätte ich nicht so einen tollen Schutzengel gehabt, hätte die Glätte oder der Sekundenschlaf mich wohl erwischt. Tag täglich fuhr die Erschöpfung als Beifahrer mit, bisweilen ausgetrickst durch eine Mundspülung mit „Gammel Dansk“, einem dänischen Kräuterbitter, dessen Genuss einem die Haare zu Berge stehen ließ. Da waren dann für die nächste halbe Stunde alle Sinne wieder wach.

Trotz aller Strapazen war die Kutscherei mit dem Scania ein Genuss, allein die kunterbunte Erscheinung des Zuges konnte nicht zufriedenstellen. So wird dann im Frühjahr sowohl der Scania als auch der Dapa-Auflieger in einer wilden Freiluftaktion umlackiert in die Wunschfarben blau und rot. Gleichzeitig bedeutet es aber auch für mich das Ende des Vagabundenlebens auf dem Auto. Hatte ich bereits im Vorjahr meine erste Überführungsfahrt mit einem Mercedes 2632-Silozug von Elmshorn nach Arbil/Iraq absolviert , so nahm dieses Geschäft nun Fahrt auf, so dass meine Lebensgefährtin Karla das Büro nicht mehr allein verwalten konnte. So kam es, dass zunächst Kuddel Sch. , ein ehemaliger Kollege aus dem Pferdetransport, den Zug als fester Fahrer übernahm. Nun galt es noch, Ersatz für den verkauften Mercedes zu finden. Es sollte natürlich gern wieder ein Scania sein. Und den fand ich bei Friedel Dix in Hiddenhusen. Dort stand eine LB 140 Super Zugmaschine zum Verkauf, die ehemals für Aral Tankstellen beliefert hatte. Angetrieben von einem bulligen V8-Motor mit 350 PS war das damals der stärkste LKW am Markt. Die Maschine wurde sogleich mit in blau/rot umlackiert und ein weiterer ehemaliger Pferdekutscher –Thorsten G. – gesellte sich zu uns, um ebenfalls in der Skandinavien-Fahrt sein Glück zu versuchen. Von April 80 bis April 81 lief dieser Zug mit einem dänischen VanHool Mietauflieger völlig zuverlässig. Probleme mit dem Chauffeur und die sehr ausgeschlagene Hinterachse führten dann dazu, dass ich den Wagen einem türkischen Landsmann verkaufte. Dieser wähnte sich in der Hoffnung, dass er seine verunfallte Leyland Zugmaschine , die ja nicht zu ersetzen war, da die Produktion eingestellt worden war, durch den Scania ersetzen könne. Er sollte sich getäuscht haben. Sie wurde ihm bei der Einfuhr an der türkischen Grenze in Kapikule beschlagnahmt. Drei Jahre lang konnte ich den langsamen Verfall des Autos betrachten, welches eingeschlossen hinter Stacheldraht auf dem Zollhof langsam unter einer dicken Staubschicht verschwand.

Aber für den 140er musste dringend Ersatz her. Es galt, diverse Sattelauflieger, die ohne Zugmaschine verkauft worden waren, in den Iraq zu bringen. Meine Nachfrage bei der Gefa, einem Fahrzeugbanker, ergab, dass dort eine Magirus Sattelzugmaschine aus einer notleidenden Finanzierung für günstiges Geld zu haben war. Der Wagen schien ideal: große Kabine, 310 PS-Motor, sehr lang übersetzt für hohe Dauergeschwindigkeit und eine supergute Luftfederung. Und so ging denn auch gleich die erste Reise nach Baghdad. Meist waren es Kippauflieger, die transportiert werden mussten, aber auch Pritschensattel in Orientbauweise. Auf den Aufliegern wurden immer 4 bis 5 Ölfässer befestigt, die mit Heizöl befüllt wurden, um bis nach Bratislava zu kommen. Dort war die erste Möglichkeit, um für umgerechnet knapp 25 Pfennig Diesel zu bunkern. Die Pritschen wurden fast immer noch mit Ersatzteilen beladen. Das führte allerdings an der türkischen Grenze häufig zu Problemen. Aber bekanntlich gibt es ja nichts, was nicht mit Bakshish zu regeln wäre. Einfacher war es da schon mit den Kippern. Die kippten wir im Werk an und zwischen den Achsen wurde dann zwischen die mächtigen Längsträger mit zwei Stahlplatten ein Hohlraum gebaut, der beladen werden konnte. In Wagenfarbe lackiert ist das nie aufgefallen. Eine weitere Besonderheit beim Magirus war die Dachklimaanlage. Das war nur eine Attrappe, in der wir die damals im Iraq verbotenen Computer ins Land schafften. Auf jeder Reise wurde ein anderes Auslandsbüro bedient; wir hatten reißenden Absatz. Wenn es galt, eine Pause zwischen zwei Fahrten zu überbrücken, so konnten wir den Magirus bei „Padborg Transit“ einsetzen. Mit Brötchen, Hotdogs und Remoulade wurden Imbißbetriebe beliefert. Bisweilen waren über 25 Abladestellen anzufahren. Bis September 83 spulte der Deutzer fast problemlos Reise für Reise ab. Meist fuhr er im Konvoi mit anderen Überführungsfahrzeugen, so dass diese Chauffeure dann auf der Rückfahrt mit einsteigen konnten. Mit 4 bis 5 Mann kamen sie zumeist wieder zurück – 5000 km im Stechschritt und ohne Pause. Der Deutz zeigte keine Probleme, einzig die Elektrik war eine Katastrophe. Die letzte Fahrt nach Baghdad fuhr Götz mit dem Auto und ich hatte ihm ins Lastenheft geschrieben, den LKW unterwegs aufzubrennen – ein Kabelbrand bot sich ja an. Das tat er denn auch – aber nicht etwa unterwegs in der Fremde, sondern bei uns vor der Haustür, weil er das Taxi sparen wollte. Da Kuddl ja nun Fahrzeug und Einsatzgebiet gewechselt hatte, galt es, einen neuen Chauffeur zu verdingen, der mit dem 110er Scania weiter Skandinavien bereiste. Es stellte sich ein gewisser Werner R. vor, der einen ausgesprochen guten Eindruck machte und die Stellung bekam. Er fuhr klasse, war stolz, einen Scania fahren zu dürfen und hegte und pflegte ihn, dass es eine Lust war, ihn bei der Arbeit zu beobachten. In der vierten Woche hatte er für Oslo geladen und fuhr pünktlich Sonntag früh vom Hof, um via Travemünde-Gedser und Helsingör-Hälsingborg am Montag früh in der norwegischen Hauptstadt zu entladen. Leider kam er dort nicht an. Mittags dann die ersten Nachfragen des Agenten. Aber wir hatten nichts gehört. Auch abends war der Zug noch nicht am Ziel aufgetaucht. Inzwischen waren alle bekannten Kollegen informiert, nach dem LKW Ausschau zu halten. Auch am folgenden Tag gab es keine konkreten Meldungen. Einer wollte ihn mit aufgerissener Plane auf einem Parkplatz gesehen haben, ein anderer meinte, er hätte ihn im Graben liegen sehen. Die Anspannung wuchs, handfeste Tatsachen gab es nicht, also beschloss ich, am nächsten Morgen die Strecke abzufahren. Aber das war überflüssig. Am besagten Mittwochmorgen meldete sich Werner mit wehleidiger Stimme: „Oh Klaus, ich glaub ich hab Mist gebaut.“ Er hatte sich auf der Fähre mit einigen Flaschen Schnaps versorgt, die er in Norwegen zu Geld machen wollte. Leider hatte er unterwegs aber schon mal mit der Verkostung begonnen und sich eine satte Alkoholvergiftung angesoffen. Zwei volle Tage lang hatte er nun durchgeschlafen, ehe er aus dem Koma wieder erwacht war. Ich ließ ihn die Tour zu Ende fahren und zu Hause schmiss ich ihn raus. Das rief die komplette Familie auf den Plan: Frau und Kinder und natürlich Werner standen heulend im Büro: Ich solle es doch noch einmal versuchen; es kommt auch nie wieder vor. Was soll ich sagen: Natürlich versuchten wir es noch einmal miteinander. Nach drei Wochen war er wieder verschütt. Diesmal hatte er für Stockholm geladen, wieder war er am Sonntag früh über Land gestartet, wieder hatte er Schnaps gebunkert und wieder hatte der Hund sich besoffen. Diesmal aber rief uns am Mittwoch die Polizei aus Ljungby an. Dort saß Werner in der Zelle. Was war passiert? Im Schneetreiben war eine alte Dame mit ihrem Volvo unserem Scania entgegen gekommen und hatte den Auflieger am Heck touchiert. Das hatte Werner gar nicht mitbekommen, war allerdings auch keine 10 km weiter auf einen Parkplatz gefahren, der etwas versteckt hinter einer Raststätte lag, um seinen Rausch auszuschlafen. Dort hatte ihn dann schließlich die Polizei aus seinen Träumen gerissen und erst mal eingelocht. Also fuhr ich nach oben, um mein Auto zu übernehmen, vergaß allerdings nicht die Wagenheberstange, mit der ich ihm das Fell zu gerben gedachte. Aber die Wachtmeister ließen mich nicht an ihn ran.

Sodann übernahm Holger B. den Zug und damit wechselten wir auch das Fahrtgebiet. Geld hatten wir auf Skandinavien nie verdient. Nun hatte ich eine Tour ausgeklügelt, die mehr Erfolg versprach. Wir gingen mit Sammelgut für Panalpina raus nach Finnland und kamen mit einer vollen Ladung Autoglas zurück. Diese Runde schaffte man in genau einer Woche, wenn man über Land fuhr, also durch Dänemark und Schweden und dann mit der Fähre von Kapellskär nach Turku übersetzte. Leider kam man uns recht schnell auf die Schliche. Die Tour lag gut im Geld und schon recht bald grub uns Polar-Express mit seinem Trailerverkehr das Wasser ab.

Die Suche nach einer neuen Route war insofern recht beschränkt, weil wir im Nahverkehr eben nur zwei Grenzen erreichen konnten: Travemünde für den Norden und Lauenburg für den Süden und Osten. So landeten wir schließlich in der Griechenland-Fahrt. Die Rhenus suchte einen Unternehmer für den Liniendienst Hamburg-Athen und wollte durchaus gut bezahlen. So wurden wir uns einig und fortan lief der Scania und teils auch noch der Magirus nach Südeuropa. Für den hatte ich aus Geldmangel einen 3-achsigen Trailor Auflieger angeschafft. Auf jeder Reise flogen ein bis zwei Reifen weg, weil die Achsen wohl nicht gerade untergebaut waren, die Klappenverschlüsse waren eine Krankheit und sprangen gern mal auf und das Plangestell hatte keine Stahlrohre im Dach, sondern nur Gurte. Selten so einen Plünn gesehen. Im Heck hinter dem Achsaggregat hatten wir im Rahmen einen 2000 Liter fassenden flachen Tank eingebaut, der von hinten –durch eine Klappe geschickt verdeckt – befüllt werden konnte. Mittels Druckluft konnte dann der Fahrzeugtank an der Zugmaschine befüllt werden. Leider war das Chassis des Aufliegers wohl nur aus minderwertigem Stahl, jedenfalls hatten sich die Untergurte der Längsträger langsam nach unten verformt, so dass der randvoll gefüllte Tank auf dem Autoput in voller Fahrt herunterpurzelte. Der Tank blieb glücklicherweise heil und musste vor Ort mit starken Haltebändern wieder untergebaut werden. Dieses Weichei von Qualitätsfahrzeugbau musste dringend wieder weg. Gen Süden wurde Sammelgut befördert und auf der Rückfahrt kamen wir mit 24 Tonnen Schnaps und Wein nach Hause. Aber auch das schöne Geschäft sollte nicht allzu lange dauern. Die Griechen konnten das erheblich günstiger fahren.

Auf einer Rückreise aus Griechenland hatte Holger dann mit dem DAPA Konserven geladen. Der Sattel hatte gerade eine schöne neue Plane bekommen. Kurz vor Freienhufen in der DDR hatte er sich auf einem Parkplatz zur Ruhe begeben. Im Morgengrauen dann ging es weiter in Richtung Lauenburg. Schon bei der Annäherung an die Vorkontrolle beschlich ihn ein ungutes Gefühl: Überall waren Wachen mit Maschinenpistolen postiert. Er wurde aufgefordert, an die Seite zu fahren. Sofort erschienen Grenzsoldaten mit Spürhunden, Holger musste aussteigen und wurde verhaftet, der LKW beschlagnahmt. Wie sich herausstellte, hatten sich während seiner Ruhepause zwei Jugendliche auf das Dach des DAPA-Aufliegers gehangelt, hatten die schöne neue Plane aufgeschlitzt und waren in den Laderaum gestiegen. Den Riss im Dach hatten sie mit den Schnürsenkeln ihrer Turnschuhe wieder notdürftig zugenäht und sich dann unter die Konserven gegraben. Aber es half ihnen nichts. Die Flucht flog auf. Glücklicherweise hatten die Jungen aber wohl glaubhaft versichert, dass Holger von allem nichts gewusst hatte. So wurde er mitsamt dem Scania nach 24 Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt.

Für den Magirus brauchten wir nun wieder mal Ersatz. Da wir eigentlich nur noch neue Auflieger überführen wollten, schaffte ich für 1500 Mark eine MAN 16.240 Zugmaschine an. Es war noch ein F7 mit Lenkradschaltung – natürlich unsynchronisiert. Und gleich die erste Reise – noch unlackiert – führte ihn wieder in weite Ferne. Es ging mit einem neuen Tankanhänger für die Mobil nach Athen. Die nächste Reise war auch schon klar: Ein Siloauflieger musste zur Messe nach Baghdad gebracht werden. Auch diese Fahrt verlief ohne Zwischenfälle, aber es war durchaus kein einfaches Auto, aber man gewöhnt sich an alles und immerhin blieb er bis 04/85 im Rennen. Spektakulär war auch die Reise nach Teheran mit einem ungefederten Panzerauflieger, der eine Breite von 3 Metern hatte. + Im Herbst vor seiner Ausmusterung allerdings nahm er irreparablen Schaden. Wir hatten einen offenen Pritschenauflieger angemietet, das Plangestell mit Brettern und Maschendraht erhöht und holten lose Äpfel aus Polen. Die waren für eine Mosterei bei Stade bestimmt. Allerdings war die kleine Zugmaschine mit den 240 PS und sechs Gängen schon ziemlich am Rande ihrer Kraft angelangt, denn es wurden immer gut 27 Tonnen und mehr aufgeladen. Zum Entladen wurde dann der Auflieger auf eine Kippbühne gefahren, abgesattelt und rückwärts abgekippt. Die letzte dieser Reisen zeigte eine derart hohe Überladung, dass der Auflieger sich nicht mehr von der Zugmaschine trennen ließ. Die Sattelplatte war zudem durch einen Grabenkontakt etwas deformiert, so dass die Kupplung sich auch mit Hilfe eines Staplers nicht aufziehen ließ. Es wurde mit einem Radlader entladen, aber wir brauchten da auch nicht mehr wiederzukommen.

Dann gab es noch einen Zug im Fuhrpark, von dem es kein Bild gibt, weil man sich eigentlich auch nur schämen konnte, so etwas sein eigen zu nennen. Für einen arabischen Landsmann fuhren wir damals mehrere hundert ziemlich schrottreife PKWs in Schleswig-Holstein zusammen und verschifften die dann in den Libanon. Also musste ein Transporter her, mit dem man die PKWs abholen und in den Hafen bringen konnte. Geld war ja bekanntlich Mangelware und so fiel die Wahl auf einen abgehalfterten leichten Sattelzug, gezogen von einem Mercedes LP1519 mit einem einachsigen Pritschensattel, der zuvor der Firma „Wühlmaus“ zum Transport ihrer Kartoffelroder gedient hatte. Während die Zugmaschine schon sehr bald den Weg in wärmere Gefilde antreten durfte, blieb die „Wühle“, wie der etwas unförmige Auflieger liebevoll genannt wurde, noch recht lange in Betrieb.

Zwischenzeitlich hatten wir noch einen kleinen Daf im Fuhrpark. Für die drei Aggregatebauer in unserer Kundschaft hatten wir häufiger mal Sondertouren zu absolvieren und auch unsere Kabelverlegefabrikanten hatten ständig Bedarf an einem kleinen Flitzer. Zumeist war Lemmi mit dem Wagen unterwegs, den wir auf 7,5 t Gesamtgewicht abgelastet hatten. Das hinderte uns allerdings nicht daran, ihm durchaus bisweilen dezent seine 5 Tonnen Last ins Kreuz zu legen. Die Wege führten ihn bis nach Spanien, England und Skandinavien. Auch hatten wir ein Gestell angefertigt, mit dem wir 5 Tonnen schwere Schwungräder zur Ausbesserung vom Mercedes Werk in Bremen zum Werkzeugmaschinenwerk nach Erfurt brachten und nach Reparatur zwei Wochen später wieder abholten. Die waren für die ganzen riesigen Karrosseriepressen bestimmt, die im Werk montiert waren. Das lief insgesamt fast über ein ganzes Jahr. Das gab mir die Gelegenheit, auch abseits der vorgeschriebenen Transitwege die DDR zu erkunden.

Auch Holger bekam ein neues altes Auto. Wir hatten gelegentlich eigene Kunden in der Tschechei und in Polen zu bedienen. Daraus erhoffte ich mir ein ständiges Geschäft und schaffte einen MAN 19.320 Unterflur an. Ein passender Köhler 3-Achs-Anhänger vervollständigte den Zug, der mit neuen gelben Planen durchaus nett anzuschauen war. Zwar liebte Holger den Wagen sehr, zumal er auch mit einem Fuller Getriebe ausgestattet war, aber die Arbeit war schwierig zu beschaffen für einen Gliederzug. So wurde er bereits nach sechs Monaten wieder eingetauscht und musste fortan bei seinem neuen Besitzer in der Rübenkampagne arbeiten – ein Los, welches wohl die meisten Unterflurs ereilte, weil sie einfach als Gebrauchtwagen sehr billig zu haben waren. Da wir seinerzeit sehr viel für MAN Fahrzeuge überführten, fiel die Wahl auch diesmal wieder auf eine MAN Zugmaschine des Typs 19.280 F. Ehrlich gesagt: Es gab auch nichts anderes günstig zu kaufen. Dieser Wagen wurde flugs in der Russland-Fahrt eingesetzt. Im Auftrag von EC-trail in Padborg wurden Kühlauflieger mit Feta-Käse in Padborg aufgenommen und zur Umladung nach Brest gebracht. Dort übernahmen dann die Russen den Weitertransport in den Iran. Als Rückladung gab es dann gefrorene Früchte aus Polen. Geld konnte man auch damit nicht verdienen, das ging nur über den Diesel, der in Russland günstigst zu haben war. Während die meisten Unternehmer ihre Maschinen mit Tanks bis zu 2000 Litern Fassungsvermögen ausgestattet hatten, die mit einem raffinierten Umpumpsystem die Messungen beim Zoll manipulieren konnten, um keine Steuer auf den eingeführten Sprit zahlen zu müssen, hatten wir für diese Späße natürlich kein Geld. Deshalb hatten wir immer Fässer an der Stirnwand des Aufliegers stehen, die durch die Ladung verdeckt waren. So konnte man die komplette Runde mit dem billigen Brennstoff absolvieren. Und das war schon was bei über 40 Litern Verbrauch.

Im Frühjahr 1985 dann konnte ich eine Leihmaschine von MAN bekommen: eine 19.361, mit der ich zwei Touren Russland absolvieren wollte. Holger war schon in Brest eingetroffen, als ich in Padborg aufsattelte. In Lauenburg angekommen durfte ich dann erfahren, dass die Russen die Züge nicht entluden, da die Iraner im Zahlungsrückstand waren. Es sollten schon über sechzig Autos dort warten. Ich fuhr trotzdem hin, denn Umdrehen ging in der DDR nicht. Als ich ankam, stand Holger dort schon seit 4 Tagen bei minus 40 Grad. Insgesamt waren es schließlich 86 Züge, die auf Entladung warteten. Die Russen schafften es, 4 Wagen am Tag aufzutauen, damit wir irgendwo im Warmen sitzen konnten. Es gab für alle ein Plumpsklo auf dem Hof – ein Bretterverschlag natürlich ohne Heizung. Die Essensvorräte in den Autos gingen langsam zur Neige. Meist saßen wir bei einem Kollegen mit bis zu 16 Mann in seinem Ford Transconti. Der hatte damals schon eine Injektoreinspritzung, die den Tank durch den zurückfließenden Diesel immer warm hielt, somit der Kraftstoff nicht einfrieren konnte. Alle anderen Wagen – bis auf die vier aufgetauten - liefen nicht. Das ganze zog sich für mich 10 Tage hin, für Holger waren es 14 Tage, bis die Erlösung kam. Als dann zwei Wochen später dieselbe Prozedur sich anbahnte, ließ ich Holger in Lauenburg umdrehen und den Kühlauflieger wieder nach Padborg bringen. Das war dann endgültig das Ende der Frachtfahrerei, die uns nur Verdruss und ein kräftiges Minus in der Kasse eingebracht hatte. Fortan galt es, das Geld in der Überführung zu verdienen.